Gendersprache


 

Kann Gendersprache überhaupt bewirken, was es verspricht?

Können wir irgendwie überprüfen, ob das ‹Gendern› bewirkt, was sich die Befürwörter davon erhoffen? Ja, das können wir, und zwar ganz empirisch.

Es gibt viele Sprachen in der Welt, in denen es keine unterschiedlichen Wörter für weibliche und männliche Personen innerhalb einer Kategorie gibt. Nicht nur gilt dies für die von Sprachaktivisten insbesondere gehassten, auf -er ausgehenden deutschen Generika; es gibt sogar Sprachen, wo es keine separaten Wörter für z.B. ‹Bruder› und ‹Schwester› gibt1. Auch gibt es Sprachen, wo kein Unterschied zwischen den Pronomina für ‹er› und ‹sie› gemacht wird, wie das Bengali, das in Indien und in Bangladesh gesprochen wird, oder das Türkische.

Bedeutet dies, dass Länder wie Bangladesh und die Türkei die neo-feministischen Paradiese auf Erden sind?

Anhand wirklich existierender Sprachen ist also bewiesen, dass Sprache nicht bestimmt, wie wir denken. Ideologische Sprachsteuerung führt nur zu oberflächlichster Gedankensteuerung (nämlich: zu quasi-polizeilicher Unterdrückung). Äußerlich kann man unter gesellschaftlichem Druck einem Sprachgebot gehorchen, aber das bedeutet nicht, dass innerlich sich etwas am Denken geändert hat; höchstens kann man von einer Verdrängung, von vorauseilendem Gehorsam, oder von Wunschdenken sprechen (wie ein Indologe über die Dalitas in Indien berichten kann).

Das Denken der Menschen kann sich auch indirekt in der Sprachverwendung zeigen. Mein Lieblingsbeispiel ist das deutsche Wort ‹Ausländer›. Einerseits ist es vollkommen neutral: jemand, der von außerhalb des Landes stammt, ist ein Ausländer. Aber wir alle haben irgendwann deutschsprachige Menschen gehört, die Dinge sagen wie ‹ich lasse meine Kinder nicht in der Straße nebenan spielen, denn dort wohnen so viele Ausländer›, mit einer gewissen Betonung des Wortes. Dann ist exakt dasselbe Wort nicht mehr so neutral, sondern gewinnt es durch die konkrete Verwendung in diesem Kontext einen negativen Beiklang. So sind fast alle Wörter an sich wertfrei, neutral, weder gerecht noch ungerecht.

(Übrigens möchte ich eine autobiografische Note hinzufügen: Ich bin ein Ausländer. Sogar mit zwei Staatsangehörigkeiten, und keine der beiden ist deutsch. Und als Doppelausländer möchte ich hier aussprechen, dass ich angewidert bin von der deutschen sprachlichen Prüderie, die ständig nach neuen ‹politisch korrekten›, angeblich ‹sensiblen› Wörtern sucht: ‹Person mit Migrationshintergrund›, ‹Mensch mit internationaler Geschichte›, usw. Ich kenne niemanden, der mehr ‹internationale Geschichte› hat als ich; aber wenn ich etwas wie ‹Person mit internationaler Geschichte› höre, dann möchte ich den Sprecher schlagen.)

Auch kommt das Umgekehrte vor: dass ein Schimpfwort eine neue Bedeutung bekommt. Dann spricht man von einem sogenannten Geusenwort (aus dem Niederländischen: geuzennaam). Als im Achzigjährigen Krieg um die Unabhängigkeit der Niederlande vom spanischen Kolonialreich ein spanischer Adliger die Aufständischen mit einem französischen Ausdruck als gueux (‹Bettler›) bezeichnete, übernahmen die niederländischen Freiheitskämpfer das Wort als Selbstbezeichnung. (Andere bekannte Beispiele sind das amerikanische Wort yankee und das deutsche Wort Schwuler.)

Womit wieder bewiesen ist: Alles kommt darauf an, was man zu einem Wort denkt. Das Wort an sich bestimmt unser Denken nicht.

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  1. So gibt es im Indonesischen ein Wort für ‹jüngeres Geschwister› und ein wort für ‹älteres Gechwister›. Will man unbedingt das Geschlecht zum Ausdruck bringen, dann sagt man z.B. adik laki-laki, ‹jüngeres männliches Geschwister›, d.h. ‹jüngerer Bruder›, und kakak perempuan, ‹älteres weibliches Geschwister› ist die ‹ältere Schwester›. Seniorität ist im Indonesischen so wichtig, dass es unterschiedliche Wörter für jüngeres und älteres Geschwister gibt; offenbar wird es nicht für wichtig gehalten, geschlechtlich unterschiedliche Wörter für Bruder und Schwester zu haben.↩︎