Gendersprache


 

Die Abschaffung geschlechtsspezifischer Wörter

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Das Deutsche ist die grammatisch wohl konservativste lebende Sprache in der germanischen Unterfamilie des Indogermanischen (vom Isländischen abgesehen). Sie kennt drei grammatische Geschlechter, vier Kasus, und dann ein erstaunlich kompliziertes Verbsystem und eine unverständliche Zahl an Möglichkeiten, den Plural von Substantiven zu bilden. Jede andere große westeuropäische Sprache hat einiges davon beseitigt und vereinfacht.

Gendersprachler wollen das Deutsche noch komplizierter machen.

Was selbstbewusste Frauen machen

Eine wachsende Zahl von hoch qualifizierten Frauen sagt «ich bin Arzt», «ich bin Journalist» – ohne jegliches Bedenken, und dies ist gut. Sie verwenden das klassische, inklusivistische Generikum. Es sollte egal sein, wer mich ärztlich behandelt, solange ich gut behandelt werde. Neue, interessante Zahlen sagen uns, dass 70% der Medizinstudenten weiblich sind: also wird es immer wahrscheinlicher, dass wir von einer Frau ärtzlich behandelt werden – ohne dass Aktivisten für Gendersprache (die vielleicht lieber von ‹ärztinlicher Behandlung› sprechen möchten?) auch nur etwas dazu beigetragen haben. Es sollte egal sein, wer Bericht erstattet, solange der Bericht wahrhaft ist. Ich muss nicht wissen, ob es sich um ein Weiblein oder Männlein handelt. Ich muss nicht überprüfen, ob eine Zeitung ganz modisch nach ‹Parität› strebt oder vielleicht eine Frauenquote hat, denn es geht mir um guten Inhalt, die natürlich auch von weiblichen Journalisten produziert werden kann. Nele Pollatschek hat dies sehr knackig auf den Punkt gebracht.

Was Frauen, die wie oben beschrieben sprechen, tun, ist eine Rückkehr zu einem historisch ursprünglichen, inklusivistischen Zustand, der von Genderaktivisten nicht erkannt und sogar verneint wird. Warum die Aktivisten das tun, ist eine interessante Sache, worüber man spekulieren kann. Ein guter Grund kann es nicht sein1.

Eine niederländische Studie

Auch im Niederländischen hat es Assoziationsstudien zur ‹gendergerechten Sprache› gegeben, wobei herauskam (gegen die Erwartung der Forscher2), dass alles vom sozialen und sprachlichen Kontext abhängt, und nicht von der Verwendung des maskulinen Generikums (die Autoren schreiben hier, richtig, «masculine generic», und nicht etwa «generic masculine», wie deutsche Genderaktivisten das tun):

we found no evidence for a male bias induced by the generically-intended masculine pronoun zijn ‘his’. This emphasizes the importance of considering different types of masculine generics cross-linguistically in order to understand how they affect language processing. We showed that gender inferencing in language goes beyond the mostly occupational and social stereotypes carried by role nouns, but pertains to stereotypical activities, too. Furthermore, our results indicate that discourse expectations are not only guided by the strength of gender stereotypes themselves, but also by the severity of flouting them.3

Dies wird den deutschen identitätspolitischen Genderlinguisten gar nicht gefallen. Mal sehen, was Ihnen einfällt, um diese Assoziationsstudie zu entkräften.

‹User und Userinnen›, Fehler und Fehlerinnen

Im Englischen ist der geschlechtsneutrale Inklusivismus fest verankert, und immer mehr sehen wir, dass feminine Spezifika einfach nicht mehr verwendet werden: eine Dichterin ist nicht mehr eine ‹poetess›, sondern ein ‹poet›, eine Professorin ist keine ‹professoress› (ein Wort, wovon die meisten Englischsprachigen nicht einmal wissen, dass es das je gegeben hat), sondern ein ‹professor›, usw. – Dies ist einerseits das historisch Ursprüngliche, wie mehrere Sprachhistoriker uns bestätigen; andrerseits ist es wesentlich moderner als das Gendern, weil durch die Nichtverwendung der femininen Spezifika (die männliche Personen nicht mitmeinen, sondern ausschließen) nicht sexistisch diskriminiert wird.

Diese Nichtverwendung der Spezifika ist weltanschaulich viel progressiver als das identitätspolitisch diskriminierende Gendern, wo die Aufmerksamkeit ständig von der Person weg auf ihr Geschlecht fokussiert wird.

Einige Leute im deutschsprachigen Raum scheinen aber zu meinen, dass auch das progressive Englische in die Vormoderne zurückgestoßen werden soll – und sie gendern englische Lehnwörter. Im Informatikbereich gibt es einige englische Wörter, die jetzt auch im Deutschen verwendet werden, wie ‹user› und ‹follower›. Diese Wörter sind also, im echten Englisch, geschlechtsneutral und inklusivistisch. Jeder Mensch kann user oder follower sein, unabhängig vom Geschlecht. Dann ist es eine bittere Ironie, wenn einige Leute in Deutschland anfangen, über ‹Userinnen› und ‹Followerinnen› zu schreiben. Typisch deutsche Besserwisser, die gerne verschlimmbessern. Das ist nicht fortschrittlich, sondern rückschrittlich: ein Schritt zurück in eine Welt, wo das Geschlecht ständig hervorgehoben wird (oder, um mit Nele Pollatschek zu sprechen: wo ständig ‹Vagina!› gerufen werden muss).

Hier muss ich als englischsprachiger Mensch sagen: Sorry, Genderer, ihr macht eine Fehlerin.

Es fällt auf, dass auch hier nicht konsequent gegendert wird. So gibt es von einem englischen Lehnwort wie ‹Fan› keine verweiblichte Form: Man sagt ‹sie ist ein großer Fan von U2›, und nicht: ‹sie ist eine große Fannin›. Offenbar richtet sich die Genderwut nur gegen die ideologisch und anti-historisch verhasste Endung -er, die (wie schon ausführlich von vielen Linguisten erklärt worden ist, was auch von der Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung so empfunden wird) als generische Endung für Agensnomina nicht nur harmlos, sondern ganz positiv sinnvoll ist und nicht diskriminiert (eben weil sie generisch und dadurch inklusivistisch ist). Was Englischsprachige in ihrer eigenen Sprache richtig machen, wird von irren deutschsprachigen Ideologen verkorkst, wenn diese die englischen Wörter übernehmen.

Das Niederländische als Vorbild

Wie sieht es mit anderen, nahe verwandten Sprachen aus? Keine andere große Nationalsprache ist dem Deutschen so eng verwandt wie das Niederländische. Historisch ist das Niederländische eine standardisierte Form jener Sprachformen, die entlang der Küste zwischen den Niederlanden und Polen gesprochen werden: was man oft «Plattdeutsch» oder «Niederdeutsch» oder «Küstendeutsch» nennt (im Gegensatz zum «Hochdeutsch» aus dem gebirgigen Süden4).

Grundsätzlich sieht man im Niederländischen dieselben sprachlichen Vorzüge und Nachteile wie im Deutschen. Man findet hier auch Agensnomina mit der Endung -er und zusätzliche Endungen, die zur Bildung von Wörtern mit ausschließlich weiblicher Bedeutung verwendet werden. D.h. dass auch im Niederländischen es das maskuline Generikum / generisches Maskulin gibt, wie in so vielen anderen indogermanischen Sprachen, und auch hier ist es generisch, inklusivistisch, und nicht spezifisch und nicht Frauen ausschließend. Genau wie im Deutschen muss man, wenn man spezifisch über Personen des männlichen Geschlechts spricht, von ‹mannelijke arbeider› (männlicher Arbeiter) usw. sprechen.

Wie neu die Bildung der femininen Spezifika ist, sieht man daran, dass es mehrere Endungen zur Bildung solcher Wörter gibt (also keine Standardmethode, die immer angewandt wird), und in der Schule müssen Schulkinder mühsam lernen, welche spezifische feminine Form zu welcher korrespondierenden generischen Form gehört. (Hier ist das Deutsche, ausnahmsweise, mit seiner -in effizienter und einfacher.)

Die Frage der ‹Gendergerechtigkeit› wird im Niederländischen aber vollkommen anders als im Deutschen gelöst, und zwar mit einer echten Lösung. Anstatt die angebliche Diskriminierung in der Sprache, die durch die Existenz der weiblichen Spezifika empfunden wird, durch eine Steigerung in der Gendersprache noch weiter zu intensivieren (denn eben das ist es!), entfernt man die historisch  wahre Ursache der Unzufriedenheit: man verwendet die weiblichen Spezifika nicht mehr und verwendet nur noch Generika.

Nur das ist konsequent und richtig, wenn es einem wirklich darum geht, Diskriminierung nach Geschlecht zu beseitigen. Gleiche Behandlung kriegt man durch gleiche Behandlung, nicht durch soziale Spaltung. Inklusivität in der Sprache erreicht man nicht dadurch, dass man zuerst, völlig unnötig, die Geschlechter ständig gedanklich und sprachlich trennt.

An meiner Universität gab es mal eine Diskussion über die Verwendung ‹gendergerechter Sprache›, wo ich erwähnte, dass im Niederländischen seit Jahren man die Tendenz sieht, vollkommen egalitär, nicht-sexistisch und effizient, die spezifischen Feminina abzuschaffen. Darauf sagte die pseudofeministische Moderatorin: «In Deutschland sind wir noch nicht so weit.» Gerne hätte ich darauf erwidert: Wieso sollen wir dann die Lage durch das diskriminierende, sexualisierende, sozial zerspaltende Gendern zuerst noch schlimmer machen? Aber das Matriarchat gönnte für eine Diskussion keine Gelegenheit. Um meine Frage richtig zu beantworten, müsste man zuerst feststellen, ob Deutschsprachige im Vergleich zu Niederländischsprachigen und Englischsprachigen gesellschaftlich wirklich rückständig sind, und dann erklären, warum wir die sprachliche Lage zuerst noch verschlimmern müssen. Eine schöne Aufgabe…

Seit etwa zwanzig Jahren sieht man im Niederländischen die immer stärkere Tendenz, die sich heute wohl allgemein durchgesetzt hat5, dass eine Frau als Direktor (directeur), Lehrer (leraar), Schriftsteller (schrijver), Dichter (dichter), Arbeiter (arbeider), Student (student) usw. usw. genannt wird. Das heißt, dass man im Niederländischen fortschrittlich zum besseren Ursprungszustand zurückkehrt, wie man es auch im Englischen gemacht hat.

Man möchte gerne die Anglistin und führende Persönlichkeit der «feministischen Linguistik» Deutschlands, Luise F. Pusch, fragen, warum im Englischen das Wort professoress heutzutage nicht verwendet wird und alle einen weiblichen Professor einfach professor nennen. Und anschließend fragen, warum man im Deutschen gendern sollte, wenn man das im Englischen nicht und im Niederländischen praktisch nicht mehr macht.

Wenn es wirklich das feministische Ziel der Genderbefürworter ist, eine nicht historische, sondern unfundiert und rein subjektiv empfundene geschlechtliche Diskriminierung in der deutschen  Sprache abzubauen, dann sollte man es genau so machen wie im Niederländischen. Einfach radikal alle spezifisch weiblichen, die Männer ausschließenden Formen abschaffen. Denn warum muss ständig betont werden, dass jemand, der schreibt, studiert, arbeitet usw. usw., eine Frau ist? Geht es nicht um die Leistung, um die Qualität des Schreibens, Studierens, Arbeitens usw. usw.? (Oder: trauen sich die Frauen bezüglich ihrer Leistungen nicht und wollen sie unbedingt ‹Quotenfrau› sein? und muss das schon in der Sprache festgelegt werden?)

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  1. Unvermeidlich kommt man bei rein persönlichen Gründen: Egoprobleme, das Kaschieren mangelhafter eigener Kompetenz durch das Spielen der Opferrolle, das Rechtfertigen der eigenen Existenz als Gender- oder Frauenbeauftragte, usw.↩︎

  2. Die Forscher müssen wohl linguistisch naiv gewesen sein, weil in Sprache Kontexte ja immer eine Rolle spielen. Aber sie waren gewissenhaft und haben akzeptiert, dass die Forschungsergebnisse nicht das waren, was sie erwartet hatten.↩︎

  3. «The processing of the Dutch masculine generic zijn ‘his’ across stereotype contexts: An eye-tracking study»: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0205903.↩︎

  4. Das ‹hoch› in ‹Hochdeutsch› hat nichts zu tun mit ‹mehrwertig›, wie oft irrtümlich angenommen wird, sondern ist eine rein geografische Bezeichnung. Rein objektiv gesehen ist das Niederländische eine modernere, effizientere, fortschrittlichere Sprache als das Deutsche und hat einen riesigen Wortschatz: «Das WNT [Woordenboek der Nederlandsche Taal] ist verglichen mit ähnlichen historischen Wörterbüchern (Deutsches Wörterbuch und Oxford English Dictionary) viel umfangreicher und detaillierter»: s. https://de.wikipedia.org/wiki/Woordenboek_der_Nederlandsche_Taal#Vergleich_mit_anderen_Wörterbüchern. (So, das möchte ich als auch-niederländischsprachiger Mensch hier kurz ausgesprochen haben, nach zahllosen überheblichen, herablassenden, subjektiven, dummen und nie aufhörenden Sarkasmen von Süd-Deutschen.)↩︎

  5. Diese Entwicklung ist in den Niederlanden sehr ausgeprägt. Im Norden Belgiens ist man sprachlich insgesamt konservativer, und dort verwendet man die weiblichen Spezifika öfter.↩︎