Gendersprache

Ein Beispiel einer ‹Empfehlung› ‹gendergerechter Sprache›, mit Analyse


„Sobald du eine Gruppe von Ideen als immun gegen Kritik, Satire, Spott oder Verachtung erklärst, dann wird die Freiheit des Denkens unmöglich.“ (Salman Rushdie)



Der Wahn, dass man durch das Gendern an einer besseren Gesellschaft arbeitet und sich dabei gleichzeitig einen Schein von höherer Moralität anmisst (was mit einem schönen englischen Ausdruck virtue signalling genannt wird), treibt immer verkrampftere Blüten.

Jetzt ist es Zeit für ein konkretes, amüsantes Beispiel, und zwar aus meiner Universität – die chronologisch die erste offizielle Elite-Universität unter den Gesamtuniversitäten Deutschlands1 ist.

Abschnitte auf dieser Seite:

Analyse eines konkreten Falles

Gewöhnlich halte ich mich zurück, wenn an meiner (oder einer anderen) Universität ein Kollege in einem anderen Fach etwas sagt, das mich nicht überzeugt, denn vielleicht kenne ich mich zum Thema nicht so gut aus. Vielleicht habe ich auch sowieso nichts damit zu tun, sollte ich mich nicht einmischen und ist es besser, dass ich in Bescheidenheit still bleibe. – Aber wenn es etwas betrifft, was die Allgemeinheit angeht (z.B. die Sprache, die wir alle gemeinsam benutzen) und worüber ich sehr wohl mitreden kann, dann sehe ich nicht ein, warum ich mich zurückhalten sollte. Vor allem dann nicht, wenn etwas ‹empfohlen› wird, das einfach übel ist.

In einem solchen Fall ist Zurückhaltung fehl am Platz. Legen wir also los, im Geiste des oben zitierten Salman Rushdie.

Die Frauenbeauftragte der Ludwig-Maximilians-Universität München hat eine Webseite der sogenannten ‹gendergerechten Sprache› gewidmet. Es lohnt sich, diese Seite (Stand: 31.12.2022) zu analysieren.

Der Text jener Webseite ist nicht gut geschrieben. Damit meine ich an erster Stelle nicht die offensichtlichen Schreibfehler (die sogar ich als Nichtmuttersprachler erkenne), sondern dass er viele lose Behauptungen ohne Belege und ohne zusammenhängende Erklärungen enthält.

Der Zusammenhang des Textes ist wahrscheinlich für Mitglieder identitätspolitischer Sekten sofort klar und akzeptabel. Andere Leser müssen ein bisschen Puzzlearbeit verrichten. Aber nach all dem, was wir in den vorherigen Kapiteln besprochen haben, können wir rasch einiges erkennen. Der Text beginnt mit:

Immer noch werden viele Texte im generischen Maskulinum verfasst.

«Immer noch» – d.h. dass wer das grammatisch männliche Generikum verwendet, rückständig sei (oder vielleicht unartig ist! oder sogar etwas Verbotenes macht!). Gleichzeitig wird nebenbei auch die Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung als rückständig (oder unartig usw.) verurteilt. Und wer verurteilt hier eigentlich, und auf welcher Basis? Mit welcher Autorität? Mit welcher Begründung? – Eine katholische Theologin, seit 2006 auf dieser Stelle. Aber ihre hier geäußerten Ideen entstammen dem neumodischen Glauben des identitären Postmodernismus.

Das «immer noch» suggeriert auch, dass die Diskussion über das Gendern schon beendet ist: dadurch wird alle mögliche Kritik im Voraus von der Hand gewiesen und werden Kritiker als rückständig dargestellt. So wird suggeriert, dass das Verteidigen von und das Argumentieren für Gendersprech überflüssig ist. Wie aus dem restlichen Teil der Webseite klar wird, ist es ein subtiler Versuch der Einschüchterung Andersdenkender. (An einer Universität ist so etwas ganz schlecht und sollte gar nicht passieren.)

Wie wir gleich sehen werden, beruht dieser belehrende, matriarchale Ton nicht auf sprachwissenschaftlichen Kenntnissen, und auch nicht auf einem Verständnis der längst etablierten und richtigen sprachlichen Praxis, sondern auf der diskriminierenden, sexistischen Ideologie hinter der sogenannten «feministischen Linguistik».

Hier könnten und sollten wir retour sagen: «Immer noch gibt es Leute, die Wörter verwenden, deren Bedeutung sie nicht kennen, und die beim Schreiben nicht nachdenken.» Denn: Ist ein ‹generisches Maskulinum› generisch oder nicht? Und was heißt das, ‹generisch›? Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache sagt uns: «[Sprachwissenschaft] verallgemeinernd gemeint, die Gesamtheit betreffend, nicht differenzierend». Dann ist doch alles in Ordnung?

Frauen bleiben dadurch sprachlich unsichtbar: Die "Hälfte" der Gesellschaft taucht auf der sprachlichen Bildfläche, auch in der Wissenschaft, nicht unmittelbar auf, sondern ist "mitgemeint", sofern sie nicht explizit und namentlich erwähnt wird.

Da ist schon wieder das Gerede über ‹Sichtbarmachung›, die wir schon aus der sogenannten «feministischen Linguistik» kennen. Sprachwissenschaftlich dermaßen inkorrekt, dass es vielleicht bewusst verlogen ist. (Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass die Frauenbeauftragte bloß wirklich sehr naiv und unkritisch ist und ohne viel nachzudenken sich von anderen Leuten dummes Zeug hat aufreden lassen.)

Wir sehen hier also wieder mal die sture ‹genderlinguistische› Verweigerung, zwischen dem grammatischen Geschlecht von Wörtern einerseits und dem reellen Geschlecht des durch die Wörter Angedeuteten andrerseits zu unterscheiden. Ein maskulines Generikum wird wieder mal nicht als Generikum erkannt und akzeptiert, sondern muss laut solchen Leuten auf eine männliche Person hindeuten (wie auch die neue, ideologisch korrumpierte Version des Duden behauptet), bloß weil die meisten generischen Personsbezeichnungen das grammatisch männliche Geschlecht haben (und es die optionale, geschlechtlich eingrenzende Zusatzendung -in gibt, die ausschließlich Frauen andeutet).

Denken wir jetzt kurz ein bisschen konsequent weiter. Dieser Denkart zufolge sollte jeder ‹Mensch› ein Mann und jede ‹Person› eine Frau sein. Und falls ein Genderideologe sagt «aber bei anderen Wörtern empfinde ich das nicht so», dann ist das sein persönliches, subjektives Problem (das er mit einigen anderen, ähnlich problematisch denkenden Menschen teilt). Über die subjektiven Assoziationsstudien haben wir schon gesprochen. – Aber wenn solche willkürlich subjektive Behauptungen als gültige und wichtige Argumente gelten, warum machen wir nicht gleich weiter? Warum nehmen wir dann nicht gleich an, dass auch jede Tür, Banane und Orange eine Dame ist, weil diese Wörter grammatisch weiblich sind? Vielleicht empfinde ich das so! Und vergessen wir bitte Sturheit und Dummheit nicht: auch grammatisch weiblich. (‹Weisheit aber nicht,› könnte dann jemand behaupten, ‹denn das empfinde ich anders›.)

Wie wir schon wissen, ist eine deutliche Mehrheit der deutschsprachigen Bevölkerung mit solchen Behauptungen nicht einverstanden (mit Recht), und die Sprachwissenschaft auch nicht, und auch nicht mehrere intelligente Frauen, die nicht einem pseudo-progressiven Programm nachplappern und auch solide Argumente dafür haben, warum sie nicht nachplappern.

Aber die Frauenbeauftragte meint uns tadeln und belehren zu müssen. Schauen wir mal, was sie sonst noch sagt.

In Hlinblick [sic] auf Forschung und Wissenschaft hat eine durch das generische Maskulinum geprägte Sprache nicht zuletzt Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Wie bitte? Ein wahrer Feminist würde sagen: Die «Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse» hängt nicht von Gendersternchen usw. ab, und sie hängt auch nicht vom Geschlecht der Forscher, sondern von der Qualität deren Denkens und Arbeitens ab, egal, ob die Forscher weiblichen oder männlichen Geschlechts sind. Deshalb sind generische Wörter vollkommen richtig.

Analysieren wir aber noch ein bisschen weiter: die Sprache soll «Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse» haben? (Ja, so steht es da. Echt.) Die Theologin hat den Johannes bei seinem Evangeliumswort genommen: am Anfang war das Wort, und Gott war das Wort (ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, […] καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος.). Nur scheint ‹Wort› hier ganz wörtlich aufgefasst zu sein, wie von einem einfältigen Fundamentalisten. Und Gott, wie die Bibel uns sagt, ist allmächtig, also muss auch das Wort allmächtig sein. Auch ein maskulines Generikum scheint allmächtig zu sein, denn es hat «Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse», sagt die Frauenbeauftragte.

Die Aussage der Frauenbeauftragten sieht ziemlich realitätsfremd, sexistisch und wissenschaftsfeindlich aus.

In der echten Wissenschaft geht es um die Sache, nicht um das Geschlecht der Personen, die sich mit der Sache beschäftigen, und auch nicht um identitätspolitische Gesinnungsverkündigungen mittels modischer Sprachmarotten. Wer sich wirklich für Gerechtigkeit in der Anerkennung der echten Leistungen weiblicher Forscher einsetzt, kann mit dieser Aussage der Frauenbeauftragten nichts anfangen.

So wie es hier steht, ist die Aussage über «Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen  Erkenntnisse» bestenfalls ahnungslos, schlimmstenfalls absichtlich irreführend (und in beiden Fällen fragt man sich, warum). Ich würde gerne erklärt sehen, wie die anerkannte Qualität der Forschungen namhafter weiblicher Forscher etwas mit Gender-Sprachspielchen zu tun hat. (Nehmen wir gleich das bekannteste Beispiel: Marie Curie. Hat die Qualität ihrer Erkenntnisse schlimme Auswirkungen erlitten, weil sie nicht gegendert hat?) Aber das wird eben nicht erklärt – bloß behauptet, wie Genderaktivisten und Mitglieder anderer Sekten das so oft tun.

Eine solche Sprache vermittelt den Eindruck, Wissenschaft sei überwiegend männlich. Diese durchgängig männliche Perspektive führte leider auch dazu, dass Frauen in vielen Forschungsbereichen, Forschungsfragen und Forschungsprojekten tatsächlich eine untergeordnete Rolle spielten.

Schauen wir uns genauer an, was hier alles steht. Zuerst ist das ‹generische Maskulinum› da. Daraus entsteht anscheinend eine beeinträchtigte ‹Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse›. Beeinträchtigt, sonst würde die Frauenbeauftragte sich wohl keine Sorgen machen. Hiermit verkündigt die Frauenbeauftragte den in Genderkreisen üblichen, abergläubischen linguistischen Determinismus.

Aber es geht hier noch einen Schritt weiter als der übliche feministisch-linguistische Unfug, denn nicht nur denkt die Frauenbeauftragte sich offenbar zum männlichen Generikum, dass mit dem Wort ‹Wissenschaftler› angedeutete Menschen männlich sein müssen, und dass deswegen Frauen – ja, was denn eigentlich? unterdrückt werden? nicht studieren oder forschen dürfen? für ihre Leistungen keine Anerkennung bekommen? Auch will sie uns anscheinend glauben lassen, dass Männer minderwertige Wissenschaftler sind. Denn anscheinend entstehe der ‹vermittelte Eindruck, Wissenschaft sei überwiegend männlich› (die genderlinguistische Verweigerung; siehe oben), und dies gehe Hand in Hand mit einer Beeinträchtigung der Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Wann und wo tritt jene furchtbare ‹männliche Perspektive› auf? War zuerst die Perspektive da, oder die Sprache? Vielleicht ist gemeint: ‹man glaubt, dass [die meisten, oder alle?] Wissenschaftler männlich sind›. Angesichts Zahlen aus letzter Zeit gibt es aber Grund anzunehmen, dass dies sich verdammt bald ändern wird, trotz jener vermeintlichen «durchgängig männliche[n] Perspektive». Wir sehen eine willkommene, echte, aktuell schon seit Jahrzehnten sich abspielende Veränderung bezüglich beruflicher Wahl- und Werdegangsmöglichkeiten von Frauen, die nichts mit einer Beseitigung einer herbeifantasierten «männliche[n] Perspektive» in der Sprache zu tun hat, sondern mit Fortschritt in der Medizin, der Industrie und der Wirtschaft – kurzum, mit der reellen Gesellschaft. Es hat nichts zu tun mit Gendersprache, denn diese Entwicklung ist schon lange im Gange.

Die Notwendigkeit von Gendersprache ist eine Kopfgeburt drittrangiger Philosophen und Geistes- und Sozialwissenschaftler, die in ihrer selbstverliebten, realitätsfremd theoretisierenden Begeisterung vergessen, auf die Gesellschaft um sie zu schauen und echte soziale Änderungen wahrzunehmen.

Unsere Frauenbeauftragte macht hier eine wirklich sehr schlechte, regressive Arbeit. Ich hätte gerne, dass eine Frauenbeauftragte unsere weiblichen Studenten zum ernsthaften Studieren ermutigt, damit diese ihre Fähigkeiten möglichst gut entwickeln, tolle wissenschaftliche Leistungen zum Wohle der gesamten Gesellschaft und der Welt erbringen und dementsprechend beruflich gewürdigt werden. – Aber stattdessen entmutigt unsere Frauenbeauftragte unsere weiblichen Studenten mittels Behauptungen über magische Sprache, die ein Aspekt einer frauenfeindlichen Gesinnung sei und sogar die Wissenschaft selbst bösartig in ein frauenfeindliches Spiel verwandelt habe. Anstatt zu ermutigen, schürt sie eine künstliche Verunsicherung und Unzufriedenheit.

Dies könnte wiederum suggerieren, dass Frauen an unserer Universität nicht wirklich willkommen seien (was nicht wahr ist), weil das Entwickeln von Fähigkeiten und das Erbringen von wissenschaftlichen Leistungen von Frauen sowieso unterschätzt sei und wenig Sinn habe (was auch nicht wahr ist). Und anstatt dass all unsere Studenten lernen, sich zu entwickeln, etwas zu leisten und wertvolle und geschätzte Mitglieder der Gesellschaft zu werden, sollte man sich, ganz im Sinne der Identitätspolitik, zu Mecker- und Jammerverbänden zusammenschließen und tun, als ob Sprachspielchen und politische Manipulation der Weg zum irdischen Paradies sind.

Der Text, den wir gerade analysieren, ist wirklich nicht gut geschrieben. Dies liegt auch einfach daran, dass der Inhalt aus einer gedanklich schwammigen Ecke stammt.

Es ist also nach wie vor notwendig entgegenzusteuern, damit sich Ungerechtigkeit und Benachteiligung nicht weiter manifestiert. Sprache ist hier ein wichtiger Ansatzpunkt.

Hiermit sind wir wieder mal bei der whorfianischen Sprachmagie angekommen. Die angebliche, imaginäre Ungerechtigkeit in der Sprache haben wir schon besprochen. Generika können einfach nicht geschlechtlich ungerecht sein (weil sie ja generisch sind). Wenn mit ‹Ungerechtigkeit› gemeint ist: ‹früher war die gesellschaftliche Stellung der Frau anders› (was nicht ‹ungerecht›, sondern eine biologische Sache war: es hatte mit dem Fortbestehen der Menschheit zu tun): jene alte Ungleichheit ist dabei, rasch zu verschwinden. Die Wortspielchen von Genderaktivisten haben nichts zur reellen Verbesserung der Stellung von Frauen in der Gesellschaft beigetragen, und sie können es auch nicht (im Gegenteil: sie sind sexistisch diskriminierend).

Auf dieser Webseite der Frauenbeauftragten sehen wir also wieder mal den irren Aberglauben an die Allmacht der Sprache, der charakteristisch ist für den dogmatischen Postmodernismus und auch noch dadurch missraten ist, dass grundsätzliche Kenntnisse über die deutsche Sprache ignoriert werden. Warum doch?

Frauen und alle, die sich nicht in einer binären Geschlechtereinteilung wiederfinden haben ein Recht auf Sichtbarkeit und darauf sprachlich respektiert zu werden.

Ach so. Dies würde bedeuten, dass alle Nichtmänner in z.B. englisch- und niederländischsprachigen Ländern, wo immer weniger gegendert wird, immer weniger respektiert werden.

Tja, wieder mal stimmt eine identitätspolitische Behauptung nicht mit der Wirklichkeit überein. So was. Die Dreckswirklichkeit auch. Vielleicht sollten wir die Wirklichkeit einfach vergessen, denn ideologisches Spinnen ist einfacher als anhand der Wirklichkeit etwas zu überprüfen. (Oder vielleicht sollen wir quasi-deutsch-national borniert die böse, wirkliche Außenwelt außer Betracht lassen, wie z.B. Prof. Nübling es will. Bloß keine nüchternen, konsequenten, besseren Alternativen zum Gendern erwähnen und besprechen! Denn das machen nur… Ungläubige, Verkehrte, Leute von außerhalb der Sekte.)

Unsere Frauenbeauftragte weiß anscheinend nicht, was ein Generikum ist, wie man es verwendet, und warum es gut und wichtig ist, dass es im Deutschen so etwas gibt. Durch das Lesen der vorherigen Kapitel über Generika und Sprachgeschichte könnte sie etwas nachholen.

Um was geht es hier eigentlich?

Inzwischen könnte (und sollte) man sich ernsthaft fragen, um was es hier wirklich geht: um wahre gleiche Chancen, Rechte und Anerkennung für alle, oder um eine angestrebte Sexualisierung der Sprache durch ständige Betonung des Geschlechts und um Wichtigtuerei und virtue signalling. (Vielleicht will die Frauenbeauftragte noch viel länger Frauenbeauftragte bleiben, nach den schon vergangenen 16 Jahren, und sucht sie mangels echter Probleme händeringend nach einer Rechtfertigung ihres Daseins.) Der humanistische, demokratische Wert des Generikums in der Sprache wird einfach ignoriert. Warum?

Sprache war und ist immer im Wandel und verändert sich kontinuierlich.

Jawohl, alle lebenden Sprachen entwickeln sich weiter und sind in ständigem Wandel. Aber wie? Nicht weil ein Politiker, oder eine Kirche, oder ideologiegetriebene Spinner das von uns fordern. Schon auf der Seite über Gendern und Demokratie haben wir besprochen, wie Befürworter des Genderns einerseits sagen, dass es natürlichen Sprachwandel gebe (was stimmt), und dass sie andrerseits autoritär und vollkommen unnatürlich fordern (sogar mit geheimpolizeilichen Methoden), dass wir ihnen gefälligst gehorchen und mitgendern sollten (was Unfug und gar nicht natürlich ist). Und lesen Sie doch den Artikel «Sprachen wandeln sich immer – aber nie in Richtung Unfug» von Prof. Josef Bayer (emeritiertem Professor für allgemeine und germanistische Linguistik an der Universität Konstanz).

Sprache verändert sich, ja. Aber wo finden wir eine erzwungene, genötigte, forcierte, ideologisch getriebene schnelle Sprachveränderung? Als ‹Neusprech› im Roman 1984 und in real existierenden Diktaturen, zum Beispiel in den verschiedenen kommunistischen Diktaturen und im Dritten Reich. Natürlicher, struktureller, sinnhafter Sprachwandel braucht nämlich Zeit, kann nicht erzwungen werden, und ist eine vollkommen demokratische Sache der gesamten Sprachgemeinschaft.

Der von Aktivisten propagierte Gendersprech (und zwar in allen Formen, die auf dieser Seite vorgeschlagen werden) ist widernatürlich und sozial nicht progressiv, sondern regressiv. Solche Sprache ist nicht entstanden aus natürlichen Bedürfnissen in der Sprachgemeinschaft, sondern aus ideologisch unterbauter Ranküne. Sie löst keine echten Probleme und kreiert bloß neue.

Der Frauenbeauftragten der LMU ist es ein Anliegen, dass dieses kreative und inklusive Potential der Sprache im Hochschulkontext anerkannt und auf allen Ebenen angewandt wird.

Die größte Ironie ist wohl: die Frauenbeauftragte selbst hat das «kreative und inklusive Potential der Sprache», das sich schon längst realisiert hat, auch im Hochschulkontext, nicht erkannt. Denn ein Generikum ist schon inklusiv. Per definitionem. (Siehe den obigen Verweis zum DWDS.)

Sprache verändert sich nachhaltig nicht dadurch, dass es das «Anliegen» einer Frauenbeauftragten ist, dass neue sektiererische Sprachmarotten «auf allen Ebenen» angewandt werden und dass etablierte Sprachverwendungen, woran objektiv nichts auszusetzen ist, zensiert werden (man siehe die Abbildung oben an der vorherigen Seite).

Man kann mit Zwang aus Bäumen Bonsai-Bäumchen züchten. Auch das ist Veränderung, aber es ist eben Zucht und ist nicht natürlich, und lässt die Bäume nicht zu ihrem vollen Recht kommen, lässt sie sich nicht völlig entfalten. – Natürlich ist es, dass die deutschsprachige Bevölkerung, mit der Zeit, über solche sprachliche Normveränderungen entscheidet, und zwar ohne Zwang, ohne Nötigung, ohne Häme von arroganten Autoritätsträgern und anderen Besserwissern; wenn man eingesehen hat, dass eine gewisse Änderung eine Verbesserung ist (und nicht, wie das Gendern, eine Verschlechterung). Man lese auch den Artikel von Prof. Gisela Zifonun: «Sprachvorschriften sind ein Eingriff in die individuelle Meinungsfreiheit».

Die restlichen Aussagen auf jener Seite der Frauenbeauftragten basieren auf den vorherigen verfehlten Aussagen, also brauchen sie hier keinen Kommentar.

Liebe Leser (m/w/d, aber das haben wir schon behandelt), ich werde nicht gemäß diesem Anliegen der Frauenbeauftragten handeln und werde nicht gendern: einfach weil das Anliegen aus mehreren Gründen nicht gut ist. Und zum Glück muss niemand mit ihr mitmachen. Hoffentlich gehört unsere Frauenbeauftragte nicht zu jener Sorte von Theologen, die uns, Ungläubige, in früheren Zeiten auf den Scheiterhaufen geworfen hätten. Heutzutage geht das zum Glück in modernen westlichen Gesellschaften sowieso nicht mehr.

Und jetzt ein Stück Realsatire

An meiner Universität fällt es einem manchmal schwer, noch halbwegs ernst zu bleiben, oder zu entscheiden, ob man lachen oder weinen muss. Man kann sich als Student bei der Frauenbeauftragten offiziell indoktrinieren lassen! Du besuchst vier Seminare, schreibst einen «critical essay» (z.B. über das «Patriarchat» oder über Vielgeschlechtigkeit2), unter Berücksichtigung der herunterzuladenden Vorschriften3, und du bekommst ein ganz echtes «LMU-PLUS Genderzertifikat»4! (Achten Sie auf das Plus! Das ist ja nicht nix!)

Dass hier von «critical essay» die Rede ist (Achtung: kein ‹kritischer Aufsatz›!), sollte uns schon zu eigenem, wirklich kritischem Nachdenken anspornen. Es klingt nur allzu sehr nach vielem anderem ähnlichem modischem postmodernem Unfug, der immer englische Namen trägt.

Warum muss die Terminologie eigentlich englisch sein?

  1. Der ganze gedankliche Rahmen wird unkritisch, ohne Nachdenken und ohne geistiges Verarbeiten, wörtlich aus regressiv-linken5 amerikanischen politischen Schriften übernommen. Die Anhänger des ‹Wokeness› schaffen das Übersetzen vielleicht irgendwie nicht so gut.
  2. Andererseits weil das Englische cool klingt und schwache Geister einschüchtern soll (was bei mir als native speaker nicht klappt. Sorry, people, that’s the way it is. Für mich ist das Englische dafür einfach viel zu normal).

Und das alles wird, so sagt man uns stolz, aus Studienzuschüssen finanziert.

Man muss sich also nicht einmal anstrengen, an unserer LMU München Satiriker zu sein. Das Material wird einem vor die Füße geworfen. Man wird hier gleich (Achtung! Trigger warning! Sprachregisterwechsel mit manchmal unhübscher Wortwahl!5) an das Einhorn-Zertifikat und ‹unicorn power› von Astro TV erinnert. (Auch mit PLUS, übrigens. Das müssen Sie sich anschauen. Klicken Sie auf das hier als Internet-Link zu YouTube unterstrichene ‹Einhorn-Zerfikat›.)

Ich werde von meinen Studenten keine Prüfungen im Nichtgendern oder im echten Respektieren von allen Menschen verlangen, damit ich pseudo-autoritative Zertifikate oder Taufscheine ausstelle. Es ist mir viel lieber, dass meine Leser kritisch nachdenken, sich die Informationen auf diesen Seiten zur Kenntnis nehmen und die Schlussfolgerungen nachvollziehen.

Die letzte Mitteilung auf jener Webseite ist: «Verantwortlich für den Inhalt: Frauenbeauftragte». – Liebe Damen und Herren, merken Sie sich das bitte: zwar spielt all dies sich an meiner Universität ab, aber ich habe nichts damit zu tun.

Zusammenfassung

Die wichtigsten Punkte:
  1. Die Empfehlungen für «gendergerechte Sprache», wie die Frauenbeauftragte der Elite-Universität LMU München sie auf ihrer Webseite darstellt, basieren auf sprachwissenschaftlich unhaltbaren Vorstellungen (dem linguistischen Determinismus und dem dazu in Widerspruch stehenden Wahn, durch als ‹Empfehlungen› getarnte Sprachdiktate das Denken der Menschen steuern zu können)
  2. Anstatt weibliche Studenten im Studium zu ermutigen, schürt sie Zweifel und Unzufriedenheit durch die Verbreitung identitätspolitischer Mythen über Benachteiligung, die es in der Form, wie sie sie darstellt, nicht gibt

Vermutlich komme ich spätestens jetzt auf der Überwachungsliste beim Denunziantenportal antifeminismus-melden.de zu stehen (ich habe ja die Todsünde begangen, eine Gleichschaltungsbeauftragte Gleichstellungsbeauftragte zu kritisieren). Ich würde es als Auszeichnung auffassen. Bitte ganz oben auf der Liste, damit man mich googlet, auf diese Seiten kommt und sie liest.7 Das würde ‹diversity› Diversität und eine offene, demokratische wissenschaftliche und politische Kultur fördern.

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  1. Die LMU München erhielt zur gleichen Zeit, 2006, mit der Universität Karlsruhe (Technische Hochschule) und der TU München das Prädikat ‹Elite-Universität› in der ersten Runde zur Antragsstellung für die Förderlinie ‹Zukunftskonzept› der sogenannten Exzellenzinitiative. (Siehe hierüber den Wikipedia-Artikel über die Exzellenzinitiative.)↩︎

  2. Hier geht es um die modische Idee, dass man das eigene Geschlecht auswählen kann, etwa wie ein paar Schuhe im Laden. Wenn jemand sich beschwert und sagt, dass ‹Geschlecht nicht nur biologisch ist, sondern auch mit persönlichen Ausdrucksweisen zu tun hat›, dann sage ich: Ich bin auch nicht der stereotyp ‹männlichste› Macho-Mann. Muss ich auch nicht sein. Die Freiheit habe ich schon, und ich benutze sie, wie jeder in unserer Gesellschaft das darf.↩︎

  3. «Check: Habe ich mindestens eine bis zwei wesentliche Forschungsliteratur [sic] im Bereich der Gender Studies und deren Aspekte für meine Argumentation berücksichtigt und im Text kenntlich gemacht?» – Das erinnert mich an eine kommunistische Lehrerin auf meinem Gymnasium. Nur schrieb sie chinesische kommunistische Propagandahefte als erlaubte Informationsquellen vor, nicht ‹Gender Studies› (Achtung: nicht ‹Geschlechterstudien›). Aber die strukturelle Ähnlichkeit ist auffällig.↩︎

  4. https://www.frauenbeauftragte.uni-muenchen.de/weiterbildung/plus/genderzertifikat/index.html (abgerufen 12.09.2022).↩︎

  5. Ich liebe den englischen Ausdruck ‘regressive left’ – die «rückschrittliche Linke». Das ist die perfekte Bezeichnung für solche Leute, die tun, als wären sie ‹links› und ‹progressiv›, aber die in Wesen genau das Gegenteil sind.↩︎

  6. «Kalkofes Mattscheibe - Das Astro TV Einhornset»: https://youtu.be/JpSRdM46W8Q?t=270.↩︎

  7. Ich stehe wahrscheinlich schon auf der Liste, denn ich habe Linguistik vs. Gendern mit unterschrieben..↩︎