Gendersprache


 

Was sagt ‹der Duden›?

Abschnitte auf dieser Seite:

Was ist und tut der Duden?

Lange Zeit galt der Duden-Verlag als die Autorität für Fragen über das Richtige und das Falsche in der deutschen Sprache. Der Duden-Verlag bringt bekanntlich mehrere Nachschlagewerke zur Rechtschreibung, zur Grammatik und zu Sonstigem heraus.

Neulich verabschiedete der Duden sich aber von der Wirklichkeit.

Als vor wenigen Jahren viele Einträge im Duden-Wörterbuch geändert wurden, gab es in Teilen der deutschen Medienlandschaft einen Aufschrei. Plötzlich war, laut ‹Duden›, ein ‹Arbeiter› nicht mehr jemand, der arbeitet, sondern: «männliche Person, die körperlich oder geistig [in bestimmter Weise] tätig ist»1.

Als ich in den 1980er Jahren noch Student in Heidelberg war, sagte mir mein damals neu gekauftes Deutsches Wörterbuch von Wahrig, Arbeiter sei «jemand, der arbeitet; jeder, der einen Beruf ausübt»2. Und «jeder» (genau wie «wer» oder «jemand») schließt Frauen nicht aus (genau wie eine «Person» auch ein Mann sein kann: feminines Generikum). Deshalb gibt es auch eine «Arbeiterbewegung», eine «Arbeitergewerkschaft», einen «Arbeiterschutz» usw. usw., die alle nicht nur für ‹männliche Personen› gedacht sind.

Diese Änderung der Bedeutungen von -er-Wörtern im ‹Duden› hat keine Basis in der tatsächlichen sprachlichen Praxis (ist also realitätsfremd und deswegen unwissenschaftlich) und ist auch unhistorisch, wie wir von Sprachhistorikern der LMU München und anderswo erfahren. Etwa 12.000 Wörter sollten durch die Willkür der Duden-Redaktion ideologisch neu definiert worden sein, ohne Berücksichtigung der sprachlichen Wirklichkeit.

Auch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) sieht es anders als der Duden. (Auffällig: Das DWDS gibt eine vollständige linguistische Definition des Wortes ‹generisch›. Der Duden verschweigt dies natürlich. Stand: 15.04.2023.)

Auch meinte der Duden, das veraltete Wort «Gästin», das vorher wirklich kein Mensch benutzte, künstlich neu beleben zu müssen. Offenbar war das generische «Gast» (grammatisch männlichen Geschlechts) der neuen Redaktion ein Dorn im Auge (wieder mal ein maskulines Generikum, kein feminines Generikum wie «Person»). Wieder dasselbe sexistische lexikalische Aufteilen der Gesellschaft in Weiblein und Männlein.

Dieser Duden-Fall (nennen wir es so) ist bezeichnend für vieles in der Diskussion um die «gendergerechte Sprache». Hat sich die deutsche Sprache in den vergangenen Jahrzehnten wirklich so stark geändert? Nein – wenn man sich nach Aussagen der absoluten Mehrheit der deutschen Bevölkerung und auch nach deutschen Sprachhistorikern richtet. Und letztendlich bestimmt die deutschsprachige Bevölkerung über solche Sachen, und nicht irgendeine Redakteurin in irgendeinem Verlag. (Jedenfalls sollte es so sein, dass die Bevölkerung darüber entscheidet. Denn der Duden besitzt die deutsche Sprache ja nicht.)

Ist ‹der Duden› ein deskriptives Wörterbuch, das die sprachliche Wirklichkeit wiedergibt (wie Wissenschaftler sich mit der Wirklichkeit beschäftigen – oder wenigsten beschäftigen sollten), oder macht er etwas Anderes? Oder will er präskriptiv sein, uns vorschreiben, wie wir die deutsche Sprache zu verwenden haben, und zwar nach eigenen, unbegründeten Fimmeln? Offenbar Letztes.

Eine wissenschaftliche Beschreibung der Sprache gibt deskriptiv wieder, was ist, und hält sich zurück in Fragen, was irgendjemand gerne hätte. Und wer entscheidet übrigens darüber, was wir gerne hätten? Aufgrund von welchen Kriterien? Wer ist eine Duden-Redakteurin, dass sie meint, der gesamten deutschsprachigen Bevölkerung nach ihren subjektiven Vorstellungen vorschreiben zu dürfen, wie man zu sprechen hat? Welche Autorität besitzt sie?

Offensichtlich haben wir hier zu tun mit einem autoritären, angeblichen Expertentum, das keines ist. Ähnliches kann leider auch von Personal an Universitäten kommen.

Für die zahlreichen Änderungen im Duden gibt es überhaupt keine sprachwissenschaftliche Rechtfertigung. Sie basieren auf der willkürlichen Subjektivität der Redaktion. Und das wird als ‹Gerechtigkeit› verkauft.

Der Duden-Fall ist charakteristisch dafür, wie in der deutschen Gesellschaft in letzter Zeit eine autoritäre ‹Wokeness› mittels eines angeblichen Expertentums, das keines ist, um sich greift. Es läuft ungefähr so: Irgendwelche selbstherrlichen Menschen behaupten einfach irgendetwas, pompös (meistens aggressiv, anmaßend moralisierend verurteilend und sehr lautstark), und Teile der deutschen Bevölkerung nehmen das einfach hin und gehorchen (ganz brav, denn irgendjemand hat ja laut etwas befohlen).

Respekt und Anerkennung für die deutschsprachige Bevölkerung und ihre Sprache (von der Duden ja lebt) sieht anders aus. Und Demokratie auch. Die Deutungs- und Definitionshoheit über die deutsche Sprache, die dem Duden häufig zugeschrieben wird, hat er jetzt verspielt.

Der Historiker Götz Aly äußerte sich im Januar 2021 in der Berliner Zeitung zum Duden in seinem Artikel «Der Duden schafft sich ab»:

Zu Dudens wichtigsten Motiven gehörte die sprachliche Ertüchtigung der damals vielen Kinder bildungsferner Schichten. Sein Werk hatte 140 Jahre lang Bestand. Meist beschränkte sich die Duden-Redaktion darauf, den sich fortwährend verändernden Sprachgebrauch verzögert, nicht empfehlend aufzunehmen. In der Nazizeit hatte sich der Duden 1937 nur mäßig angepasst. […]

Weil sich der Duden nun – nach 140 Jahren - identitären Obsessionen relativ kleiner Gruppen unterwirft, büßt er jede Verbindlichkeit ein – er schafft sich selber ab. Ich gehe jedenfalls weiterhin zum Bäcker – nicht zum Backshop, zur Backenden oder zur Bäcker*in.

Dr. Ewa Trutkowski, Sprachwissenschaftlerin am Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin, sagt:

So wie die Duden-Redaktion die Definitionen und Einträge von Personen- und Berufsbezeichnungen aktualisiert hat, haben die entsprechenden Lexeme mit maskulinem Genus wie Schüler oder Mieter nur noch die spezifisch männliche Interpretation. Das bildet jedoch nicht die Sprachwirklichkeit ab. Maskulina wie Lehrer, Schüler, Mieter etc. besitzen neben dieser spezifisch männlichen Interpretation auch eine geschlechtsabstrahierende, „generische“ Lesart. Das ist ein ganz wesentlicher Bedeutungsaspekt dieser Nomen, der in den neuen Duden-Definitionen jedoch unterschlagen wird.3

Man lese auch den Artikel von Peter Eisenberg, «Unter dem Muff von hundert Jahren. Jetzt knickt auch noch der Duden ein: Die Anhänger des sprachlichen Genderns wollen uns Vorschriften machen, kennen aber die Sprachgeschichte nicht», worin der Autor linguistisch vielerlei am Gendern bemängelt. Auch in seinem vorzüglichen Artikel «Weder geschlechtergerecht noch gendersensibel» hat er hierüber einiges zu sagen.

Eine Alternative zum Duden

Der Duden gibt also die sprachliche Wirklichkeit nicht wieder und ist also nicht mehr wissenschaftlich basiert, sondern ist ein ideologie-gesteuertes Projekt geworden. Dadurch ist er als Nachschlagewerk für die deutsche Sprache nicht mehr zuverlässig. Aber es gibt als vernünftige Alternative zum Glück noch immer das Wörterbuch von Wahrig.

Online kann auch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (https://www.dwds.de) als bessere Alternative empfohlen werden.

Zusammenfassung

Die wichtigsten Punkte:

  1. Weil die Redaktion des Wörterbuches von Duden dezidiert ideologisch und unwissenschaftlich arbeitet, kann das Wörterbuch nicht mehr als zuverlässig gelten
  2. Der Duden hat seine Glaubwürdigkeit verspielt und kann nicht mehr als objektive, neutrale, wissenschaftlich begründete Autorität betrachtet werden. Wer dies weiß und sich dennoch auf dieses Buch beruft, ist kein kritischer Verwender der deutschen Sprache

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  1. https://www.duden.de/rechtschreibung/Arbeiter, abgerufen 1.7.2022. Man fragt sich übrigens, was das mit dem prüden «in bestimmter Weise tätig» sein soll, und warum nicht einfach «arbeitet» gesagt wird. Ist in angeblich progressiven Kreisen «arbeiten» ein schmutziges Wort geworden? (Antwort: Ja, in diesen möchtegern-progressiven Kreisen schon.)↩︎

  2. G. Wahrig. Deutsches Wörterbuch. Mosaik Verlag, 1980, S. 420.↩︎

  3. „Gegenderter Duden: ,Das bildet nicht die Sprachwirklichkeit ab‘“: https://www.welt.de/kultur/article223818452/Gegenderter-Duden-Das-bildet-nicht-die-Sprachwirklichkeit-ab.html.↩︎