Gendersprache


 

Postmodernismus


Es gibt eine Verbindung zwischen den machtpolitischen Wortspielchen der selbsternannten, sich selbst als ‹feministisch› darstellenden Sprachzensoren und einer Strömung in der abendländischen Philosophie, die etwa ein halbes Jahrhundert alt ist: dem sogenannten Postmodernismus.

Postmodernistische Denker verwerfen die sogenannte Moderne: das kulturelle Modell, das sich seit der Zeit der Aufklärung entwickelt hat und u.a. die Entstehung der modernen Wissenschaften, der Demokratie und der Säkulasierung möglich gemacht hat. (Für eine anschauliche Darstellung der Entstehungsgeschichte und des Charakters des Postmodernismus lese man das gut geschriebene Buch von Helen Pluckrose und James Lindsay, den Bestseller Zynische Theorien: Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt - und warum das niemandem nützt.)

Der Postmodernismus ist eine Entwicklung in der neueren Philosophie, die vor einigen Jahrzehnten in neomarxistisch angehauchten Kreisen in Frankreich entstanden ist, als angeblich progressive, marxistische Traumprojekte in verschiedenen Teilen der Welt sich zu ausbeuterischen, gewalttätigen Diktaturen entwickelt hatten und gescheitert waren1.

Sehr knapp zusammengefasst kann man sagen: Enttäuscht durch die Realität und das Platzen ihrer Träume in der reellen Welt zogen die frühen Postmodernisten sich in ihre Gedankenwelt zurück und entwickelten Allmachtsfantasien über Sprache (sie sahen sich als Meister des Wortes) in ihrem eigenen gedanklichen Rückzugsort, ihrem ‹safe space›. Dort wurden sie nicht durch die echte Außenwelt gestört. Sie befassten sich mit Wortspielen, die an sich schön schlüssig aussehen, aber sie haben als grundsätzlichen Mangel, dass sie nur scheinbar, und nicht wirklich an der Realität außerhalb der Wortgebilde überprüft werden.

Deswegen können z.B. Naturwissenschaftler mit dem Postmodernismus praktisch nichts anfangen. Postmodernismus kann nur innerhalb des eigenen willkürlich abgegrenzten Spielraums den Anschein von Glaubwürdigkeit behalten. Anders gesagt: Die Regeln des Schachspiels, wie schön auch immer, gelten nur auf dem Schachbrett, nicht außerhalb dessen; und der Postmodernismus ist etwas Ähnliches. (Liebe Leser, ich weiß nicht, wie es mit Ihnen steht, aber: mein Leben und meine Welt sind mehr als ein Schachbrett.)

In postmodernistischen Kreisen herrschen einige typische Grundgedanken, z.B. die Idee des Sozialkonstruktivismus. In seiner extremen Form wird behauptet, dass alles sozial konstruiert sei und es keine objektive Wahrheit gebe. Alles sei bloß eine gesellschaftliche Konvention.

Manchmal sind unsere Vorstellungen tatsächlich rein konventionell. Ein deutliches Beispiel ist alles, was Mode ist: Mode ist nicht universell, ändert sich ständig, ist sogar innerhalb einer Gesellschaft, in einer Umgebung, zur selben Zeit, nicht einheitlich. Sie kann z.B. zwischen Generationen, die in einem Haus leben, verschieden sein. Mode ist konventionell, konstruiert und äußerst veränderlich. (Dies gilt übrigens auch für philosophische Moden.)

Wenn aber jemand behauptet (und dies ist tatsächlich passiert, und wurde von anderen wiederholt), auch das biologische Geschlecht sei ein soziales Konstrukt, dann hat jene Person sich so in ihrer sprach-magischen Gedankenwelt versponnen, dass sie sich von der Wirklichkeit verabschiedet hat. Als ob sie nie von Chromosomen gehört hat und auch keine Ahnung davon hat, wie sie selbst körperlich entstanden ist.

Je nach Kontext kennt der Postmodernismus also sehr bedingt vernünftige, aber in den meisten Fällen sehr subjektive, realitätsfremde und wahnsinnige Formen, die manchen Formen dogmatischer Religiosität ähnlich sind. Postmodernisten sind die Sektenmitglieder in den Sozial- und Geisteswissenschaften unserer Zeit.

Vier Haupttendenzen im Postmodernismus sind:

Das bedeutet u.a.:

Ein dogmatischer Postmodernist wird dies in verschwurbelter Sprache (siehe Tendenz a) verneinen, aber es ist eine logische Folge, die durch die wahrnehmbare Praxis des postmodernen Aktivismus bestätigt wird. So könne ich mich in allem nur irren, denn ich bin ein Mann, sei wegen meiner Herkunft auch auf irgendeine andere Weise (die mir selbst unbekannt ist) ‹privilegiert›2, was angeblich mein Denkvermögen vernebele, usw.3

Deshalb meinen postmodernistische Identitätspolitiker, mich belehren zu dürfen und zu müssen, ohne dass ich etwas zurücksagen darf (denn ich bin schon im Voraus verurteilt: wie andersdenkende Künstler und Intellektuelle in der «Kulturrevolution» im China des Mao Zedong). – Aber wie meine Leser schon verstanden haben, gehorche ich nicht, denn: Wieso sollte ich jene Diskriminierung akzeptieren?

Was die Basis für einen respektvollen, vernünftigen Umgang zwischen individuellen Personen oder für ein rationales, friedliches Erreichen demokratischer Beschlüsse und wissenschaftlicher Schlussfolgerungen sein soll, bleibt im Postmodernismus unklar. Es sei denn, alle sollen sich dem Priestertum der postmodernistischen Gurus unterwerfen, etwa wie in anderen Ländern man sich den Ayatollahs oder der Partei unterwirft.

Nächste Seite: Was ist Identitätspolitik?


  1. Schlagwörter: z.B. Eiserner Vorhang, Ungarn 1956, die chinesische «Kulturrevolution», Tibet, Prag 1968. Die großen Namen des Postmodernismus sind inzwischen, vor allem in Kreisen der Geistes- und Sozialwissenschaften, ausreichend bekannt: Foucault, Lyotard, Derrida u.a.↩︎

  2. Auch Verdienste werden umgedeutet mit dem modischen Wort ‹Privileg›, was im modischen Sprachgebrauch eine negative Konnotation bekommen hat. So kann man einige Wörter identifizieren, die zum Basisvokabular der postmodernen Identitätspolitiker gehören: ‹Privileg› (vor allem ‹white privilege›), ‹Gender›, ‹Intersectionality› (dies ist bloß eine banale Überschneidung von ‹Identitäten›), ‹Rasse› (vor allem in der Fantasie ‹struktureller Rassismus›, und sowieso ungefähr alles, was in einer generellen Gesellschaftskritik als ‹strukturell› dargestellt wird), ‹Equity›. Das Wort ‹Gerechtigkeit› wird gerne umdefiniert und verwendet in der Bedeutung «du sollst das, was du durch eigene Anstrengung verdient hast, oder was du geerbt hast von deinen Eltern, die dafür geschuftet haben und es dir überlassen wollten, einem anderen, der nichts dafür getan hat, in den Schoß werfen». Ich weiß nicht, wie meine Leser (die sich vielleicht gerne «Leser*innen» o.ä. nennen) hierüber denken, aber mit meinem Gerechtigkeitsgefühl stimmt dies nicht überein.↩︎

  3. Die nächste Aktion, die wir in zunehmender Frequenz in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen sehen, ist dass der auf diese oder ähnliche Weise diskreditierten Person die Redefreiheit verweigert wird. Der modische Ausdruck für diese autoritäre Zensur ist ‹cancel culture›.↩︎